Gebäude der Zukunft: Stück für Stück rückbaubar

Die Baubranche soll umdenken. Statt Linearität ist ein Kreislaufdenken gefragt, das Recycling und Wiederverwendung von Baumaterialien auf höchstem Wertniveau einbezieht. So will es Kasper Guldager Jensen, Gründer der Innovationsschmiede GXN und Mitglied des Advisory Board für Kreislaufwirtschaft bei der dänischen Regierung.

26.06.2017
Kasper Guldager Jensen

Wenn diese Mission gelingen soll, brauchen wir einen neuen ästhetischen Ansatz und eine kreislauforientierte Bauordnung, die es möglich macht, Baustoffe und -elemente aus alten Gebäuden zu entnehmen und wiederzuverwenden.   

Wenn wir die Ressourcen, die für die Herstellung von Baumaterialien eingesetzt werden, optimal nutzen wollen, brauchen wir eine neue Herangehensweise an Recycling und Wiederverwendung. Ein Weg ist die erneute Nutzung von Materialien aus ausgedienten Gebäuden, anstatt diese zu recyceln oder zu entsorgen, meint Kasper Guldager Jensen. Er ist Gründer der Innovationsgesellschaft GXN, die zu dem skandinavischen Architekturbüro 3XN gehört. GXN ist auf die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Lösungen in Architektur und Design spezialisiert. Darüber hinaus ist Jensen Mitglied im Advisory Board für Kreislaufwirtschaft, einer Beratergruppe der dänischen Regierung.

 „Wir erhalten mehr Werte, wenn wir Bauteile von Gebäuden komplett wiederverwenden, anstatt diese einzureißen und die Grundstoffe einzeln in die Materialströme zurückzuführen. Das erfordert aber, dass wir uns auf die Systeme und Montagemethoden konzentrieren, damit Gebäude künftig so konstruiert werden, dass man sie auch wieder auseinandernehmen kann“, sagt Jensen.

Enge Kreisläufe

Das Kreislaufdenken, von dem Kasper Guldager Jensen spricht, wird unter anderem in dem „Schmetterlingsmodell“ der Ellen MacArthur Foundation beschrieben. Das Modell zeigt, wie sich der Ressourcenverbrauch senken lässt, wenn Wiederverwendung und Wiederaufbereitung schon in der Entwurfsphase eingeplant werden. Produkte und Komponenten sollen so lange wie möglich im Kreislauf verbleiben, und dabei spielt das Erhalten ihres Werts eine größere Rolle als die Wiederverwertung möglichst großer Mengen.

„Die engsten Kreisläufe im Modell haben Instandhaltung und Reparatur zum Gegenstand. Das sind die wichtigsten“, sagt Jensen. „Die Kreise müssen so klein wie möglich gehalten werden. Es ist besser, ein Material durch Instandhaltung in der Nutzung zu behalten, als es auszutauschen. Und es ist besser, Komponenten und Bauteile komplett wiederzuverwenden, als sie in ihre Bestandteile zu zerlegen und diese zu verwerten.“

 

 

 

 

Kreislauf in der Bauordnung

Diese Ideen durchziehen auch die 27 Empfehlungen, die Kasper Guldager Jensen und seine Kollegen vom Advisory Board der dänischen Regierung am 7. Juni 2017 vorgelegt haben. Zu den Empfehlungen gehört die Einführung einer kreislaufbezogenen Bauordnung, die für alle Neubauten Auskünfte über die verwendeten Baustoffe und Materialien sowie die Möglichkeiten der Wiederverwertung vorschreibt. Zugleich soll ein standardisierter Gebäudepass entwickelt werden, der eine frei zugängliche Übersicht über alle im Gebäude verbauten Materialien bereitstellt.

„Wenn ein Gebäude ausgedient hat und abgerissen werden soll, gehen erhebliche Werte verloren, wenn nicht bekannt ist, was dort an Materialien und auch an problematischen Stoffen verbaut wurde. Wir müssen künftig einen besseren Überblick darüber haben, was in den Gebäuden vorhanden ist, damit diese als Materialmagazine fungieren und wir Bauteile entnehmen und wiederverwenden können“, so Jensen.

 

Das Ende der Silikonfuge

Die Vision von Gebäuden, die sich nach der Nutzung in ihre Bauteile zerlegen lassen, erfordert ein Ende der Verwendung von Silikon, Bauschaum, Klebern und Fugenmasse. Stattdessen müssen vermehrt Schrauben, Bolzen und Beschläge zum Einsatz kommen. Solche mechanischen Verbindungen werden zudem häufig sichtbar sein. Architekten müssen sich also eine neue, kreislauffreundliche Ästhetik aneignen, wenn sie die nachhaltigen Gebäude der Zukunft entwerfen.

„Architekten müssen Gebäude entwerfen können, die nachhaltig und attraktiv zugleich sind. Und das Wissen über Baustoffe und Konstruktionsformen wird künftig in allen Bereichen des Bauens gebraucht. Architekten und Bauingenieure müssen wissen, wie Abrissunternehmer und Facility Manager arbeiten. „Das ist nicht nur vernünftig, sondern auch rentabel, denn so entsteht eine Nachfrage nach neuen Produkten und Geschäftsmodellen“, meint Kasper Guldager Jensen.

„Da ist es interessant zu sehen, wie Unternehmen wie Troldtekt schon heute sehr strategisch an Faktoren wie Materialzusammensetzung, Chemie und Montage arbeiten.“ 

FAKTEN: Advisory Board für Kreislaufwirtschaf

  • Das Advisory Board für Kreislaufwirtschaft wurde im Oktober 2016 als Beratergruppe für die dänische Regierung ins Leben gerufen und besteht aus zwölf Führungskräften aus der Wirtschaft.
  • Das Advisory Board hat die Aufgabe, Empfehlungen zur Förderung eines möglichst sinnvollen Umbaus der dänischen Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft auszuarbeiten.
  • Ein Katalog aus insgesamt 27 Empfehlungen wurde am 7. Juni 2017 an den dänischen Minister für Umwelt und Ernährung, Esben Lunde Larsen, und den dänischen Wirtschaftsminister Brian Mikkelsen überreicht.
  • Dem Empfehlungskatalog liegt das „Comply-or-explain“-Prinzip zugrunde: Befolge oder erkläre! Das heißt hier, dass die Regierung entweder den Empfehlungen folgen oder aber erklären soll, warum sie es nicht tut. 

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