Cradle to Cradle Certified®: Neuer Geschäftsführer will Vollgas geben

Das zirkuläre Designkonzept Cradle to Cradle Certified® muss noch mehr Unternehmen erreichen. So sieht das jedenfalls der neue Geschäftsführer des Cradle to Cradle Products Innovation Institute, Elwyn Grainger-Jones. Er ist bereit, die notwendige Entwicklung mit einer Reihe von Initiativen voranzutreiben. 

Elwyn Grainger-Jones erscheint zwar ruhig und gelassen, wenn man mit ihm spricht. Doch der Geschäftsführer des Cradle to Cradle Products Innovation Institute sprudelt nur so über vor Ideen. 

Während des gesamten Interviews zeigt er sich ruhig und besonnen, und in Anbetracht seines Lebenslaufs hat er dazu auch guten Grund. Als ausgebildeter Ökonom kann der Brite bereits auf eine beeindruckende Karriere blicken, die unter anderem Funktionen bei der Weltbank, der britischen Regierung, den Vereinten Nationen und zuletzt als Direktor von CGIAR, dem weltweit größten Netzwerk für landwirtschaftliche Innovation und Forschung, umfasst. 

„Nach einigen Jahren im öffentlichen Sektor wollte ich wirklich direkter mit privaten Unternehmen zusammenarbeiten, und diese Position hier klang ewirklich spannend“, erzählt Elwyn Grainger-Jones, der zugibt, dass er vor seinem Eintritt in das Unternehmen nur von dem richtungsweisenden Buch gehört hatte, das die Grundlage des Instituts darstellt. 

Das Buch "Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things" wurde 2002 veröffentlicht. In dem von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough verfassten Werk setzen sich die beiden Autoren für eine Abkehr vom Einwegansatz bei der Produktentwicklung ein – und von der Idee, dass „weniger schädliche“ Produkte gut genug seien. Das ist das Designkonzept, mit dem Troldtekt seit 2012 arbeitet.

„Ich habe mir das Buch genauer angeschaut und war wirklich von dem Konzept fasziniert“, sagt Grainger-Jones. Im Sommer 2023 trat er die Position des Geschäftsführers des Cradle to Cradle Products Innovation Institute an.

Es geht zu langsam voran

Hier kommt die Ungeduld von Grainger-Jones durch. Denn obwohl er der Ansicht ist, dass es erhebliche Fortschritte bei der Reduzierung unseres Kohlenstoff- und Umweltfußabdrucks gegeben habe, sei das Tempo noch zu langsam, um die drängenden Umweltherausforderungen anzugehen. 

"Wir bewegen uns alarmierend schnell in Richtung der Überschreitung der planetaren Grenzen – und an manchen Stellen sogar noch weiter. Wir riskieren, in alle möglichen gefährlichen Teufelskreisläufe zu geraten, die uns in wirklich unbekanntes Terrain bringen könnten", warnt er. 

Als Beispiel nennt er den Fußabdruck der Bauindustrie:

"Derzeit gibt es weltweit 250 Milliarden Quadratmeter Baufläche, und in den nächsten 40 Jahren werden weitere 250 Milliarden Quadratmeter erwartet. Das entspricht in etwa der Fläche von Paris – Woche für Woche!" erläutert er und fügt schnell hinzu, dass es definitiv positive Entwicklungen zur Verringerung der Klimabilanz der Branche gibt:

"Was das Tempo der Innovationen neuer Lösungen anbelangt, sind definitiv Fortschritte festzustellen. Allein in meiner Karriere habe ich eine beeindruckende Veränderung der Einstellung der Menschen zu diesen Fragen erlebt. Aber konkrete Maßnahmen werden nach wie vor nicht schnell genug umgesetzt", sagt er. 

Hier spielen laut Elwyn Grainger-Jones das Institut und die Cradle to Cradle Certified® Produktzertifizierung eine entscheidende Rolle. Sie bieten Unternehmen einen konkreten Rahmen und eine Roadmap, um ESG-Prinzipien in die Tat umzusetzen.

Ein Gegenmittel gegen Stillstand und leere Worte

Einer der Gründe für die langsamen Fortschritte bei der Eindämmung der Klimakrise ist laut Grainger-Jones, dass zu viele Unternehmen mit Lippenbekenntnissen durchkommen. Er fügt jedoch hinzu, dass die EU-Richtlinie über Umweltansprüche irreführende Vermarktung bekämpfen wird. Elwyn Grainger-Jones glaubt, dass Cradle to Cradle ein Gegenmittel gegen Stillstand und Greenwashing ist.  

"Cradle to Cradle Certified ist eine von unabhängiger Seite verifizierte Anerkennung, dass die Arbeit des Unternehmens nicht nur rein rhetorisch ist. Unternehmen, die eine Zertifizierung wünschen, müssen wirklich tiefgreifende Veränderungen umsetzen", erklärt er. 

Cradle to Cradle Certified, dessen Version 4.1 kürzlich veröffentlicht wurde, konzentriert sich auf fünf kritische Bereiche: 

  • ·        Materialgesundheit
  • ·        Produktzirkularität
  • ·        saubere Luft und Klimaschutz
  • ·        Wasser- und Bodenwirtschaft
  • ·        soziale Gerechtigkeit.

 

Der tiefgreifende und ganzheitliche Ansatz ermöglicht es Unternehmen, ihre Produkte und Prozesse auf sehr detaillierter Ebene zu überprüfen.

Laut Elwyn Grainger-Jones ist Cradle to Cradle eine gute Ergänzung zu den offiziellen ESG-Berichterstattungsanforderungen, die immer mehr Unternehmen erfüllen müssen:

"Unsere Zertifizierung ist eine Win-Win-Situation, da die Anforderungen, die ein Unternehmen für uns erfüllen muss, bereits so viele EU-Compliance-Anforderungen abdecken – zum Beispiel den digitalen Produktpass. Aber es gibt auch viele Bereiche, in denen unsere Anforderungen Innovationen ankurbeln, beispielsweise in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft, oder strenger sind – zum Beispiel ist unsere Materialgesundheitsanalyse viel gründlicher", sagt er.

Aber Elwyn Grainger-Jones möchte, dass viele weitere Unternehmen das Cradle to Cradle-Zertifizierungsprogramm entdecken, weshalb er eine Reihe wichtiger Initiativen ins Leben gerufen hat.

C2C für viele mehr

In einem früheren Interview mit dem Sustainable Brands Portal sagte Elwyn Grainger-Jones, dass die Cradle-to-Cradle-Zertifizierung von mehr als 500 Unternehmen für 70.000 Produkte verwendet wird. Laut Grainger-Jones muss diese Zahl jedoch exponentiell steigen, um das erforderliche Potenzial zu realisieren und den ökologischen Fußabdruck und die Kohlenstoffbilanz der Unternehmen zu reduzieren. Daher hat das Institut mit umfangreichen Arbeiten begonnen, um das Wertversprechen des Zertifizierungsprogramms weiter zu stärken: die Cradle to Cradle Certified-Zertifizierung als hochrangige Zertifizierung beizubehalten und gleichzeitig die Anerkennung des Programms zu erhöhen und die Kosten zu senken, um die Zertifizierung für Unternehmen zugänglicher zu machen:

"Wir sind dabei, den Zertifizierungsprozess zu digitalisieren. Natürlich wird es weiterhin viel menschliche Interaktion geben, zum Beispiel mit unseren Bewertungsorganisationen, die weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielen werden, aber wir müssen den Rest der Erfahrung digitalisieren", sagt er. Das Institut hat kürzlich eine Aktualisierung seines Hauptstandards auf der Grundlage von Benutzererfahrungen und Feedback veröffentlicht, steht kurz vor der Veröffentlichung einer neuen Zertifizierung mit Schwerpunkt auf Kreislaufwirtschaft und fügt neue externe Anerkennungen wie die deutsche DGNB hinzu, um auf der bereits starken Anerkennung des Programms in Plattformen wie Amazon Climate Pledge Friendly, LEED und WELL aufzubauen.

"Eine solche Zertifizierung wird immer etwas Reibung mit sich bringen. Der Standard soll nicht einfach zu erreichen sein. Einfach gibt's woanders. Wir wollen den hart erarbeiteten Ruf von Cradle to Cradle Certified als hochrangige Zertifizierung erhalten und unnötige Reibung beseitigen, damit wir mehr Menschen erreichen können", erklärt er und fügt hinzu, dass einige der Hindernisse für den Zertifizierungsprozess in der neuesten Version des Standards beseitigt wurden. 

Trotz seiner Ungeduld ist Elwyn Grainger-Jones jedoch optimistisch:

"Meine langjährige Erfahrung im Klima- und Umweltwandelmanagement ist, dass aller Anfang schwer ist. Die Fortschritte erscheinen einem viel zu langsam, aber wenn man zurückblickt, stellt man fest, dass unglaublich viel erreicht wurde", sagt er.

FAKTEN:

Über das Cradle to Cradle Products Innovation Institute

  • -        2010 als gemeinnützige Organisation gegründet.
  • -        Das Institut besteht derzeit aus einem Schlüsselteam von 20 Mitarbeitern und hat Niederlassungen sowohl in den USA (San Francisco) als auch in Europa (Amsterdam).
  • -        Weltweit arbeiten über 500 Unternehmen mit dem Cradle to Cradle Certified Standard.
  • -        Dies hat zu mehr als 1.000 Zertifizierungen für rund 70.000 Produkte geführt.
  • -        Die Unternehmen befinden sich in Europa, Nordamerika und Australien.