Die Kaserne der Zukunft: Wo Wohlbefinden und Leistung Hand in Hand gehen
Neue internationale Forschungen zeigen, dass bei modernen Kasernendesigns erhebliches Potenzial zur Verbesserung des Innenraumklimas und des psychischen Wohlbefindens der Soldaten besteht. In der Studie wird empfohlen, durch die Kombination von architektonischer Innovation mit psychologischen Erkenntnissen bessere Rahmenbedingungen für die Verteidigung der Zukunft zu schaffen.

Viele Immobilienverwalter im Verteidigungswesen westlicher Länder werden bei der Beschreibung einer der größten und ältesten Kasernen Neuseelands, dem Burnham Military Camp, zustimmend nicken.
Die mehr als 100 Jahre alte Kaserne diente während des Zweiten Weltkriegs als Mobilisierungslager für die Truppen des Landes, die entsandt werden sollten. Doch 100 Jahre treuer Dienst gehen auch an einer Kaserne nicht unbemerkt vorbei und heute sind die Gebäude marode und von Verfall geprägt. Dies ist auch der Fall bei vielen anderen Kasernenbauten in der westlichen Welt, die um den Zweiten Weltkrieg herum errichtet wurden.
Was solche physischen Rahmenbedingungen für die Soldaten bedeuten, die darin leben sollen, zeigt die Studie „Constructing the contemporary soldier“. Der Ausgangspunkt der Studie war das marode Burnham Military Camp, die größte Kaserne im Süden Neuseelands.
Insbesondere weist die Studie darauf hin, dass Burnham wie ein Großteil der bestehenden Kasernen durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet ist:
- Mangelnde Privatsphäre: Gemeinschaftliche Schlafsäle und eingeschränkter persönlicher Freiraum behindern die Erholung und erhöhen den Stresspegel.
- Schlechtes Innenraumklima: Unzureichende Belüftung, künstliche Beleuchtung und der Mangel an natürlichen Materialien tragen zu einer ungesunden Umgebung bei.
- Minimaler Kontakt zur Natur: Die Soldaten leben in Betongebäuden ohne Zugang zu Grünflächen, was sich sowohl auf die psychische als auch auf die körperliche Gesundheit auswirken kann.
- Starre Struktur ohne Flexibilität: Standardisierte Raumaufteilungen, die den Bedürfnissen der Soldaten nach sowohl Gemeinschaft als auch Zeit für sich selbst nicht Rechnung tragen.
Laut der hinter der Studie stehenden Wissenschaftlerin Sarah Earwaker sind die derzeitigen Kasernen nicht nur veraltet, sondern stellen auch ein direktes Hindernis für die Anforderungen an die Verteidigung von heute dar.
Kasernenbau: Disziplin, Kontrolle und Praxis
Wie die Studie hervorhebt, werden traditionelle Militärbauten und Kasernen oft aus einer streng funktionalen Perspektive konzipiert, bei der Disziplin, Ordnung und Effizienz im Mittelpunkt stehen.
Dieser Ansatz lässt sich auf einen historischen Trend zurückführen, bei dem Kontrolle und Überwachung zentrale Gestaltungsparameter waren. Aus diesem Grund bevorzugten Staaten über Jahre hinweg daher Gebäude, die so konzipiert sind, dass sie den Verkehr regulieren und durch zellenartige Bauweisen und leicht zu überwachende offene Räume die Nutzer von der Außenwelt „abschotten“.
Gleichzeitig wird die militärische Hierarchie auch in den verschiedenen Räumen deutlich, wobei die Ranghöchsten die besten Wohnbedingungen erhalten, während die Rangniedrigsten die schlechtesten bekommen, um sie zu motivieren, die militärische Rangleiter hinaufzusteigen.
Allerdings kann sich die traditionelle Bauweise von Kasernen negativ auf das Wohlbefinden der Soldaten auswirken, da die Privatsphäre aufgrund der Bauweise nur sehr eingeschränkt gewährleistet ist, die Umgebung steril wirkt und Gemeinschaftsschlafsäle möglicherweise die Verbreitung von Krankheiten begünstigen.
Der Weg zu einem besseren Kasernendesign
Die Studie weist auf mehrere Maßnahmen hin, welche die Qualität des modernen Kasernenbaus verbessern können – damit das Wohlbefinden der Soldaten verbessert wird, ohne den militärischen Bedarf an Kontrolle und Disziplin zu beeinträchtigen. Ein optimiertes Kasernendesign sollte sowohl bautechnische als auch psychologische Lösungen umfassen, darunter:
Besseres Innenraumklima durch die Wahl gesunder Materialien
o Einsatz natürlicher Materialien wie Holz, die gleichzeitig die Akustik verbessern und ein wohnlicheres Ambiente schaffen.
o Optimierte Belüftung und Tageslichteinfall, was das Risiko von Kopfschmerzen und Schlafstörungen reduziert.
o Lärmdämmende Decken- und Wandpaneele, die Stress minimieren und ein ruhiges Innenraumklima schaffen.
Flexible Wohnformen
o Kleinere Wohneinheiten mit privaten Zimmern kombiniert mit Gemeinschaftsbereichen, um sowohl Individualität als auch Gemeinschaft zu stärken.
o Möglichkeit, Räume an verschiedene Funktionen anzupassen, sodass die Soldaten zwischen Arbeit, Training und Entspannung wechseln können, ohne die Kaserne zu verlassen.
Integrierte Natur und Erholung
o Grünflächen in unmittelbarer Nähe der Kaserne bieten den Soldaten Möglichkeiten zur mentalen Erholung.
o Trainingseinrichtungen im Innen- und Außenbereich, die das körperliche Wohlbefinden und die Kampfbereitschaft fördern.
o Verbesserter Zugang zu Tageslicht durch strategisch platzierte Fenster und Glasfassaden.
Die Studie verweist konkret auf frühere Studien, welche die positive Wirkung des sogenannten „Biophilen Designs“ – also der bewussten Integration von Natur und natürlichen Elementen in die Gebäudegestaltung – gezeigt haben. Dies kann zum Beispiel in Form von Holz an Wänden und Böden oder durch den Blick in die Natur geschehen.
Die Kasernen der Zukunft sind ganzheitlich ausgerichtet
Laut der Studie ist Erneuerung nicht nur wünschenswert, sondern eine dringende Notwendigkeit, nicht zuletzt, weil die moderne Verteidigung von der Rekrutierung und Bindung von Personal abhängt.
Gleichzeitig spielt der physische Rahmen eine entscheidende Rolle, wenn die Soldaten ihr Bestes geben sollen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Architekten, der Baubranche und dem Militär, um Lösungen zu schaffen, die sowohl militärische Standards als auch menschliche Bedürfnisse erfüllen.
FAKTEN: Beispiele für Modernisierungen von Kasernen
· Die Regierung Neuseelands hat den „Defence Estate Regeneration Implementation Plan“ verabschiedet. Der Plan, der den Zeitraum 2019–2035 abdeckt, soll die Optimierung und Modernisierung der Immobilienobjekte der Verteidigung sicherstellen. Das Programm umfasst 104 Projekte für die nächsten fünf Jahre.
· In Deutschland wurden bereits vor der Wahl 68 Kasernenbauvorhaben mit insgesamt rund 6.000 Soldatenunterkünften begonnen bzw. mit Baubeginn im Jahr 2025 geplant. Von der neuen Regierung wird erwartet, dass sie die Investitionen massiv ankurbelt.
· In Dänemark hat die Regierung im Jahr 2023 ein Notfallpaket für marode Kasernen verabschiedet. Das Paket umfasst eine Investition von rund 255 Mio. Euro zur Verbesserung der Unterbringungsbedingungen für Wehrpflichtige bis 2033.
· Großbritannien hat ein umfassendes Programm zur Verbesserung der Unterbringungsbedingungen für Soldaten eingeleitet. Im Rahmen des Programms werden ca. 1,4 Milliarden Euro für die Modernisierung und Verbesserung von Militäranlagen bereitgestellt.