Akustikexperten: Weshalb ein Großraumbüro zu leise werden kann
Es braucht nicht viele Geräusche, bevor die Konzentration in einer offenen Bürolandschaft schwindet – und meist sind die Gespräche der Kollegen die Ursache.
Die Lösung besteht zwei schwedischen Akustikexperten zufolge, mit denen wir gesprochen haben, jedoch nicht darin, geräuschfreie Büros zu schaffen.
Wenn es um die Akustik in einer offenen Bürolandschaft geht, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die gute: Im modernen Bürobau ist es tatsächlich gelungen, Gebäude zu gestalten, die nur sehr wenig Hintergrundgeräusche haben und beispielsweise Verkehrslärm effektiv abhalten.
Die schlechte Nachricht ist, dass das niedrige Level an Hintergrundgeräuschen de facto ein Problem darstellt. Zumindest, wenn man die beiden Akustikexperten, Philip Zalya und Timmy Kristofferson von Tyréns Sverige AB fragt.
„Wenn wir Büroumgebungen messen, liegt das Niveau an Hintergrundgeräuschen, beispielsweise durch Lüftung oder Verkehr, in der Regel bei 25–28 Dezibel. Und das ist ein sehr niedriges Niveau“, sagt Philip Zalya, Diplomingenieur und Akustiker bei Tyréns Sverige AB.
Ein Schlafzimmer oder ein ruhiger Wald hat vergleichsweise in etwa dasselbe Dezibelniveau.
Unmittelbar würde man glauben, dass eine geräuscharme Büroumgebung ein Vorteil ist. Gute Akustik in Büros ist jedoch komplizierter, was nicht zuletzt am menschlichen Gehör liegt:
„Das primäre Problem besteht darin, dass Sie als Büromitarbeiter hören, was Menschen in Ihrer Umgebung sagen, was den eigenen Fokus und die Konzentration stört“, sagt Timmy Kristofferson, der ebenfalls Diplomingenieur und Akustiker bei Tyréns Sverige AB ist.
Unser Gehör ist auf Gespräche ausgerichtet
Philip Zalya weist darauf hin, dass die Raum- und Gebäudeakustik in Bürogebäuden für die Mitarbeiter von großer Bedeutung ist:
„Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass schlechte Akustik vor allem in Großraumbüros die Gesundheit und die Produktivität beeinträchtigen kann. Es ist daher ein wichtiger Bereich“, sagt er und fährt fort:
„Es sind vorrangig die Gespräche der Kollegen, die Ursache der Störung sind. Unser Gehirn ist darauf ausgerichtet, Gespräche aufzufangen und die Information zu entschlüsseln. Das passiert ganz automatisch und unbewusst und ist nur schwer zu verhindern“, sagt er. Und gerade hier sind Büros mit einem besonders geringen Niveau an Hintergrundgeräuschen tatsächlich ein Problem, weil selbst normale Gespräche zwischen Kollegen plötzlich deutlich zu hören sind.
Aus diesem Grund sind die beiden Akustiker der Ansicht, dass auch das Niveau an Hintergrundgeräuschen in einem Büro berücksichtigt werden muss, wenn man optimale Arbeitsbedingungen schaffen möchte. Dazu später mehr.
Von der Nachhallzeit zu einem niedrigeren Sprachniveau
Philip Zalya und Timmy Kristofferson sagen, dass man sich beim Bau lange Zeit auf die Nachhallzeit als alleinigem Schlüssel zum Verständnis und zur Schaffung guter Akustik konzentriert hat.
„Es ist sehr eindimensional, bei Bürogebäuden nur Anforderungen an die Nachhallzeit zu stellen. Man kann durchaus 20 verschiedene Räume mit derselben Nachhallzeit haben, in denen die Geräusche ganz unterschiedlich klingen, wenn man sich darin aufhält. Die Form des Raumes, die Abmessungen, die Position der Mitarbeiter im Raum und der Gegenstand der Arbeit haben einen Einfluss. In manchen Büros arbeiten die Menschen viel mit AutoCad und reden nicht miteinander“, sagt Philip Zalya.
Er empfiehlt stattdessen, die ISO-Norm 3382-2:2008 anzuwenden, die darauf abzielt, das Sprachniveau in Räumen zu reduzieren. Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis diese Norm in die schwedische Gesetzgebung in diesem Bereich integriert wird, wobei sie aber möglicherweise in der kommenden Prüfung der Richtlinien als Empfehlung aufgenommen wird.
Von der Decke zu Wänden und Raumteilern
Philip Zalya und Timmy Kristofferson zufolge ist die schlechte Akustik in vielen Büros auch der Grundbedingung zu schulden, dass die Verantwortung für die Akustik verteilt ist.
„Meist hat man einen Akteur, der das Gebäude baut und für alle Wände, Decken und Oberflächen verantwortlich ist. Und dann hat man die Nutzer – also die Unternehmen, die anschließend das Gebäude nutzen. Sie bestimmen über die Einrichtung, wo die Arbeitsplätze sein sollen, wo die Mitarbeiter sitzen sollen und welche Möbel genutzt werden sollen. Damit hat also nicht nur einer allein die Verantwortung für die Akustik“, sagt Philip Zalya.
Er und Timmy Kristofferson empfehlen jedoch, zuerst die Decken in Betracht zu ziehen, wenn es um die Akustik geht.
„Meist beginnen wir mit der Decke und wählen Deckenmaterial mit hoher Absorptionsfähigkeit aus. Wenn man an der Decke ein Material hat, das schlecht absorbiert, nützt das Aufstellen von Raumteilern zum Abbremsen der Geräusche im Büro gar nichts, weil diese über die Decke einfach reflektiert werden“, sagt Philip Zayla, und Timmy Kristofferson fügt hinzu:
„Die Decke ist eine äußerst wichtige Fläche, weil sie meist den kürzesten Abstand im Raum hat. Das bedeutet, dass das Geräusch von seiner Quelle den kürzesten Weg zurücklegen muss, um auf die Decke zu treffen“, sagt er. Anschließend kann man das schallabsorbierende Material an den Wänden untersuchen:
„Eine große Falle, in die viele tappen, sind viele Glasflächen. Beispielsweise Glas in Besprechungsräumen. Wenn man solche Glasflächen einander gegenüber anbringt, reflektieren sie den Schall zwischen sich. Das ist daher eine gute Stelle, um absorbierendes Material anzubringen“, sagt Timmy Kristofferson, fügt jedoch hinzu, dass dies keine besonders hohe Priorität hat, weil Wandabsorber in Schweden nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.
Und schließlich weisen Timmy Kristofferson und Philip Zalya darauf hin, dass die Einrichtung von Büros eine große Verantwortung in sich birgt, um die richtige Kultur für eine gute Akustik zu unterstützen:
„Die Kultur im Büro ist natürlich von Bedeutung, damit man nicht mitten in einem Großraumbüro ein Telefongespräch führt. Hier ist aber auch die Einrichtung gefordert, damit kleine Besprechungsräume für Telefongespräche oder ungezwungene Sitzungen vorhanden sind“, sagt Philip Zalya.
Büro mit Zusatz von Hintergrundgeräuschen
Weil die wenigen Hintergrundgeräusche Konzentrationsprobleme bei den Büromitarbeitern verstärken, beginnen immer mehr Büros in Schweden, mit dem Hinzufügen von Hintergrundgeräuschen zu experimentieren“, erklärt Philip Zalya.
„Das kann die Lüftung sein, kann aber auch über spezielle Klangmaskierungssysteme erfolgen. Also Lautsprecher, in denen ein ganz neutraler Klang läuft – keine Musik – der grundlegend einfach nur ein Geräusch ist. Dieser Klang liegt in der Regel im selben Frequenzbereich wie die menschliche Sprache, um Gespräche im Büro zu maskieren“, sagt er.
„Ich habe selbst ein laufendes Projekt, in dem Hintergrundgeräusche hinzugefügt werden, und mehrere Büros haben es eingeführt. Ich habe sie angesehen und Messungen vorgenommen, und es sieht vielversprechend aus. Das Niveau der Hintergrundgeräusche kann gesteuert werden“, sagt Philip Zalya.
Fakten über die Tyréns Group AB
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- Tyréns Group AB ist ein Beratungsunternehmen, das sich auf Bau und Infrastruktur spezialisiert hat.
- Die Firma wurde 1942 von Sven Tyrén gegründet.
- Sie hat 3.000 Beschäftigte, und ihre größten Märkte sind Schweden, Großbritannien, Litauen, Estland und Polen.
(Foto): Philip Zalya und Timmy Kristofferson, Diplom-Ingenieuren und Akustikern bei Tyréns Schweden AB