In Deutschland fehlen hunderttausende Kitaplätze
Hohe Geburtsraten und ein Mangel an ausgebildeten Pädagogen erklären, dass im gesamten Land Kindereinrichtungen fehlen – vor allem für die unter Dreijährigen.
Gleichzeitig kann ein Vorschlag über die kostenlose Betreuung von Kleinkindern hohe Investitionen nach sich ziehen, wenn die Qualität der Betreuung gleichzeitig steigen muss.
2007 lag die Geburtenrate in Deutschland laut Statistischem Bundesamt bei 1,37 Kinder je Frau. Nur zehn Jahre später ist sie auf 1,57 gestiegen. Ein deutlicher Babyboom, der Druck auf die deutschen Kindereinrichtungen ausübt. Ganz konkret hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Herbst 2018 errechnet, dass 273.000 Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren fehlen. Allein in Berlin fehlen bis zu 13.000 Plätze (laut IW).
Auch wenn Milliarden von Euro in den Neubau von Einrichtungen investiert werden, reicht das nicht aus, um mit der Anzahl Neugeborener Schritt zu halten. Dieser Flaschenhals wird tatsächlich erst in 45 Jahren verschwunden sein, wenn die Bauaktivitäten im gegenwärtigen Tempo fortsetzen.
Das eine sind die Gebäude, das andere ist das Personal. Denn in den kommenden Jahren kann sich das Problem zu weniger Plätze aufgrund des fehlenden Fachpersonals noch verstärken. Daher hat die Qualität der Kindereinrichtungen einen hohen Stellenwert auf der politischen Tagesordnung.
Die steigenden Geburtenraten und das fehlende Personal fallen damit zusammen, dass die Nachfrage nach Einrichtungsplätzen von politischer Seite neu entfacht wird. 2013 wurde ein juristisches Recht auf Betreuung der eigenen Kinder in einer Einrichtung ab dem Alter von einem Jahr eingeführt. In der Praxis müssen sich viele Eltern jedoch in Geduld üben, da sie zum ersten Geburtstag ihres Kindes noch weit unten auf der Warteliste stehen.
Die Betreuung muss günstiger oder kostenlos sein
Parallel zu den staatlichen Investitionen in den Neubau und in höhere Qualität richtet sich der politische Fokus auf die Reduzierung und möglicherweise vollständige Abschaffung der Eigenzahlung der Eltern für die Betreuung. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will, dass Kitas in ganz Deutschland beitragsfrei werden. In einigen Bundesländern ist es für Kinder ab zwei oder drei Jahre schon der Fall. Berlin schafft die Beiträge nun komplett ab und ist damit Vorreiter.
2019 beschloss eine politische Mehrheit, dass Familien mit niedrigem Einkommen ganz von der Zahlung befreit werden, während andere weiterhin einen einkommensabhängigen Beitrag bezahlen müssen.
In Verbindung mit dem Beschluss sagte die Ministerin:
– Gute Kitas dürfen kein Privileg gut situierter Familien sein. Wenn Eltern sich 500 Euro Kita-Beitrag und mehr nicht leisten können und deshalb lieber zu Hause bleiben, entspricht das nicht meinem Verständnis von Teilhabe an Bildung und Arbeit.
Das Zitat findet sich in einem Artikel in Die Welt vom September 2018.
In der Opposition sind die gebührenfreien Einrichtungsplätze auf Kritik gestoßen. Argumentiert wird damit, dass es lokal schwierig ist, gleichzeitig Gelder sowohl für die Erhöhung der Qualität als auch die Senkung der Beiträge zu finden.
Wer soll die Einrichtungen bauen?
Fest steht, dass in den kommenden Jahren zahlreiche neue Einrichtungen gebaut werden müssen. Unmittelbar gute Neuigkeiten für Architekten, Bauunternehmer und Handwerker. Ganz so einfach ist es jedoch nicht, denn viele Baufirmen scheinen diese Art öffentlicher Aufträge zu meiden.
Als Anfang 2019 die Abteilung für Stadtentwicklung in Berlin 27 Kindereinrichtungen zur öffentlichen Ausschreibung freigab, konnte nicht eine einzige Firma gefunden werden, die diesen Auftrag übernehmen wollte. Erklärt wurde dies damit, dass die Auftragsbücher der Baufirmen gefüllt und das Berliner Vergabegesetz kompliziert seien. Mehr erfahren Sie in diesem Artikel in Der Tagesspiegel.