Stadtarchitektin: Kopenhagen stellt die Weichen für zirkuläres Bauen

Kopenhagen ist 2023 UNESCO-Welthauptstadt der Architektur – ein Ehrentitel, der erst zum zweiten Mal verliehen wurde. Doch wie sieht die dänische Hauptstadt heute und in Zukunft eigentlich aus? Lesen Sie das Interview mit Camilla van Deurs, der Stadtarchitektin von Kopenhagen. Sie nennt unter anderem Langlebigkeit als wichtige Qualität für die architektonische Entwicklung der Stadt.

Im Januar 2023 wurde der Stadt Kopenhagen der Titel „UNESCO-Welthauptstadt der Architektur“ verliehen, und die Feierlichkeiten wurden mit einer Eröffnungsveranstaltung am 17. Januar begangen. Die Eröffnungsrede kam von Kronprinz Frederik von Dänemark, der zugleich Schirmherr des Architekturjahres ist.

Dies ist erst das zweite Mal, dass eine Stadt von der UNESCO zur Welthauptstadt der Architektur ernannt wurde. Der Titel wird stets an die Orte vergeben, die den internationalen UIA-Architekturkongress ausrichten.

Der diesjährige Kongress steht im Zeichen einer nachhaltigen Architektur und findet vom 2. bis 6. Juli 2023 an verschiedenen Orten in Kopenhagen statt. Mit bis zu 10.000 teilnehmenden Fachleuten ist er der weltweit größte Architekturkongress seiner Art. Zu den hochkarätigen Referentinnen und Referenten gehören EU-Kommissarin Margrethe Vestager, Top-Architekt Bjarke Ingels und die ehemalige EU-Kommissarin Connie Hedegaard aus Dänemark – neben vielen international renommierten Fachleuten aus Architektur und Wissenschaft.

Zu Ehren der zeitgenössischen und zukünftigen Architektur

Die erste UNESCO-Welthauptstadt der Architektur war Rio de Janeiro im Jahr 2020, doch unterbrach die Covid-Pandemie die Feierlichkeiten, woraufhin die Veranstaltungen ausschließlich online stattfanden.

„Wir haben das Glück, dass wir einfach in die Stadt gehen, etwas lernen und auf eigene Faust erkunden können. Und wir können das gemeinsam mit den Menschen aus Kopenhagen und Dänemark und unseren Besuchenden aus dem Ausland tun, ob Privatpersonen oder Fachleute vom Bau. Ich hoffe, dass wir die Stadt vorzeigen und sie feiern können, von den historischen Schlössern über den gemeinnützigen Wohnungsbau bis hin zu den Grundschulen der 1970er Jahre“, freut sich Camilla van Deurs, Stadtarchitektin der Stadt Kopenhagen.

Arkitekturhovedstad 2023 nennt sich die Kooperation zwischen Wonderful Copenhagen, dem dänischen Architektenverband und der Stadt Kopenhagen, der Bevica Foundation und rund 120 weiteren Partnern.

„Es wird zahlreiche Veranstaltungen, Führungen und Vorträge geben, bei denen es vor allem darum geht, wie wir in Zukunft leben werden. Ein Beispiel ist eine Reihe von Pavillons entlang der Hafenpromenade, die zeigen, wie das Bauen mit reduziertem CO2-Fußabdruck möglich ist“, sagt Camilla van Deurs.

Auch wenn Kopenhagen den Titel Architekturhauptstadt für drei Jahre bis 2025 tragen wird, hat die Stadt Kopenhagen beschlossen, die Ernennung ausschließlich im Jahr 2023 zu feiern und die Veranstaltungen auf dieses Jahr zu konzentrieren. Im Laufe des Jahres wird es mehr als 300 Events geben.

Im Jahr 2026 wird der Staffelstab an Barcelona übergeben.

Kopenhagen als Labor

Camilla van Deurs hebt die Möglichkeiten hervor, die sich bieten, weil anlässlich des UIA-Weltkongresses führende Persönlichkeiten aus der Architekturbranche nach Kopenhagen kommen:

„Wir möchten gern eine Art Labor für das restliche Dänemark und das Ausland sein, indem wir unsere Stadt für den Dialog mit der gesamten Branche zur Verfügung stellen. Wir erhoffen uns konkrete Empfehlungen, wie wir in Zukunft grün bauen sollten – auch im Hinblick auf die Ambitionen Kopenhagens, eine klimaneutrale Stadt zu werden. Unsere Erfahrungen sollten auch dem Rest Dänemarks zugute kommen.“

Auch an die Kampagne Byens Sjæl (Seele der Stadt) aus dem Jahr 2022 wird angeknüpft, so van Deurs. Damals konnten alle Kopenhagenerinnen und Kopenhagener Gebäude nominieren, die ihrer Meinung nach erhalten werden sollten – nicht unbedingt, weil sie großartige Architektur darstellen, sondern weil sie sich in Bezug auf die Geschichte der Stadt und den Alltag der Menschen, die die Gebäude nutzen, auszeichnen.

Mehr Qualität und Recycling

Camilla van Deurs erklärt, dass das Interesse an Langlebigkeit in der Architekturbranche im Allgemeinen gestiegen ist. Dass Prestigebauten nicht mehr nur auf Ästhetik basieren sollten, sondern dass höhere Ansprüche an die Qualität gestellt werden. Zum Beispiel sind Flachdächer für das Klima in Dänemark nicht sehr geeignet, obwohl sie ansonsten weit verbreitet sind.

„Das Bauwesen ist wie ein träger Lastkahn. Worüber wir jetzt reden, wird erst in zehn Jahren gebaut. Die heute laufenden Bauprojekte sind daher nicht unbedingt repräsentativ für die grünen Vorstellungen, die wir heute über das Bauen haben. Wir haben eine Zeit hinter uns, in der besonders viel gebaut wurde, und die starke Bautätigkeit wird weitergehen. Tatsächlich machen Neubauten aber nur fünf Prozent aller Bauvorhaben in Kopenhagen aus, denn derzeit wird vor allem umgebaut und transformiert und dabei auch Material recycelt“, so die Stadtarchitektin.

Das aber hat seinen Preis:

„Wenn man bei Umbau und Sanierung Materialien wiederverwendet, erhalten die einen anderen architektonischen Ausdruck – und das erfordert, dass die Bürger bereit sind, einen anderen ästhetischen Blick auf die Architektur zu werfen. Werden wir zum Beispiel ein Gebäude mit verschiedenen Arten von Türen akzeptieren?“, fragt van Deurs.

„Es gibt viele schöne und sinnliche Erfahrungen, die sich aus recycelten Baustoffen kreieren lassen. Gute Beispiele dafür haben die Architekturbüros GxN, Lendager und Vandkunsten gezeigt. Wir müssen aber auch verstehen, dass zirkuläres Bauen das Erscheinungsbild unserer Gebäude verändern wird.“

Der Rahmen für einen guten Alltag

Auf die Frage, was das Besondere an der Kopenhagener Architektur ist und was sie hofft, dass die Besuchenden der dänischen Hauptstadt mitnehmen, sagt Camilla van Deurs:

„Wir sind eine kleine Großstadt und konzentrieren uns schon seit vielen Jahren auf den Alltag unserer Bürgerinnen und Bürger. Wir haben das tägliche Leben aufgewertet – mit vielen Radwegen und mit Kindertagesstätten mit gutem Tageslicht, um nur einige Dinge zu nennen. Kopenhagen bietet einen sanfteren und erlebnisreicheren urbanen Raum als die meisten Städte in jenen Ländern, deren politische und gesellschaftliche Werte wir teilen. Dort hat man erst in den letzten fünf bis zehn Jahren begonnen, den Rahmen für einen guten Alltag zu schaffen.“

„Dennoch können wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Es gibt noch viel zu tun, zum Beispiel in Bezug auf mehr Biodiversität, autofreie Zonen und Elektroautos. Daher ist es auch eine großartige Gelegenheit, von unseren Gästen zu lernen, die uns anlässlich der Welthauptstadt der Architektur und der Ausrichtung des UIA-Weltkongresses besuchen.“

 

Mehr über Kopenhagen als UNESCO-Welthauptstadt der Architektur und das Programm Arkitekturhovedstad 2023

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