Utzon Center Aalborg
Die Aalborger Hafenfront wurde mit einem kleinen Wunder von einem Bauwerk bereichert.
Die blanken Dächer profilieren sich schon aus der Entfernung. Eine Landschaft aus großen gekrümmten Flächen und regulären Pyramiden, die mit dem Licht spielen und in ihrer schlichten Eleganz eine unwiderstehliche Anziehungskraft entfalten. Wenn man sich um das Gebäude herum bewegt, scheint es, als veränderten sich die einzelnen Dachformen ständig in einer genau einstudierten Choreografie. Im Tagesverlauf ändern die Dachflächen ihren Ausdruck, und wenn es dunkel wird, zeigen sich die Dachflächen in Blautönen von grau bis fast schwarz.
Die geometrisch abgeklärten Konstruktionen strahlen eine Autorität und Harmonie aus, die auf die Umgebung einwirkt und Gleichgewicht schafft. Je nach Standort erlebt man das Haus als eine selbstständige Skulptur oder als einen Teil der Stadt. Vom Fjord aus ist das Gebäude ein deutlicher Fixpunkt an der langgestreckten Hafenfront, von der Stadt aus eine Bastion, die sich dem Wasser und der Aussicht öffnet.
Große Architektur mit einfachen Mitteln
Ein Innenhof schützt vor dem Wind und lässt an die angenehmen Patios in südlichen Gefilden denken. Das Innere steht nicht hinter dem Äußeren zurück und das Gebäude bietet räumliche Erlebnisse, die weit über das hinausgehen, was einem normalerweise im Dänemark von heute begegnet. Die drei hohen Haupträume mit den Bezeichnungen Auditorium, Bibliothek und Spitzgatterhalle sind beeindruckend in ihrer spatiösen Leichtigkeit und ihrem aufwärts strebenden Charakter. Das ist große Architektur, die an Ort und Stelle erlebt werden sollte.
Der Meister ist in mehr als einer Hinsicht wieder da. Jørn Utzon rundet seine lange Karriere vorläufig mit einem Bauwerk ab, das seinen Namen trägt und Aalborg, die Stadt seiner Kindheit, fest auf der architektonischen Landkarte verankert. Das Projekt wurde gemeinsam mit Kim Utzon entworfen und ist von der fruchtbaren Zusammenarbeit zweier Generationen geprägt, die bei Architektur den gleichen inspirierenden Denkansatz verfolgen.
Internationaler Sammelpunkt
Entstanden ist das Utzon Center auf Initiative des Architekten Adrian Carter, der fast acht Jahre an diesem Projekt gearbeitet hat. Adrian Carter ist heute Direktor des Centers und unterrichtet nebenbei am Institut für Architektur und Design der Aalborger Universität. Übergeordnetes Ziel war es, einen internationalen Sammelpunkt für Studierende und Forscher einzurichten, die dazu beitragen möchten, die nordische Architektur-, Design- und Kunsttradition noch bekannter zu machen. Als Vorbild diente u. a. die Alvar Aalto Foundation, Museum and Archives, in Finnland.
Bauherr ist die Utzon-Stiftung, das Projekt wurde im Zusammenhang mit dem Institut für Architektur und Design der Aalborger Universität ins Leben gerufen. Das Haus ist für die Öffentlichkeit zugänglich, finanziert wurde das Bauvorhaben aus privaten und öffentlichen Mitteln – größte Geldgeber mit jeweils 20 Mio. DKK waren Det Obelske Familiefond und Nordjyllands Udviklingsfond. Weitere Geber waren u. a. Nykredits Fond und Boligfonden Kuben. Die Kosten des Projekts belaufen sich auf ca. 87 Mio. DKK.
Lego als Ausgangspunkt
Jørn Utzon hat die Gebäudeanlage selbst skizziert, in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Kim, die Projektierung selbst lag in den Händen des Architekturbüros unter Leitung von Architektin MAA Lise Juel Grønbjerg. Hier berichtet Kim Utzon über die frühe Phase: „Zum ersten Mal seit vielen Jahren – seit dem Kalkbrænderihavn-Projekt und den ersten Skizzen für das Skagen Odde Center – haben mein Vater und ich zusammengearbeitet. Als uns die Aufgabe hier in Aalborg angetragen wurde, haben wir der Skizzierung wohl beide mit einer gewissen Spannung entgegen gesehen. Doch der gesamte Prozesses ist über Erwarten gut verlaufen. Wir haben uns bei meinem Vater in Hellebæk getroffen und als Ausgangspunkt anfangs mit Legosteinen gearbeitet. Hier kamen die Ideen auf den Tisch und wir haben das Konzept des Projektes auf dem Hintergrund der programmatischen Gespräche diskutiert, die sowohl mein Vater als auch ich mit Adrian Carter geführt hatten.“
„Mein Vater hat sich viele Gedanken gemacht, was und wie im Center unterrichtet werden sollte, besonders, weil es ja seinen Namen tragen sollte. Die Geschichte beginnt ja mit dem Handwerk und dem Glauben daran, dass alles machbar ist; eine Lektion, die mein Vater von seinem Vater auf der Aalborger Schiffswerft lernte, wo viele Menschen mit unterschiedlichem Sach- und Fachwissen zusammenarbeiteten und phantastisch komplizierte Formen bauten, die dann zu Wasser gelassen wurden und über die Weltmeere fuhren. Deshalb ist die „Spitzgatterhalle“ ja auch zentral in der Geschichte über meinen Vater und das Wissen, das er sich in seiner Kindheit und Jugend in Aalborg auf der Werft und bei den Seepfadfindern angeeignet hat, und das ganz sicher große Bedeutung gehabt hat für sein lebenslanges Interesse, die Natur zu studieren und sich in ihr aufzuhalten. Die angrenzenden Werkstätten sind ein ebenso wichtiger Teil, denn mein Vater ist einer der „praktischsten“ Architekten, die ich kenne. Er besteht immer darauf, die Dinge am Modell zu erproben – am besten im Maßstab 1:1.“
Der Park am Hafen
Das Utzon Center liegt mit Blick über das Wasser in dem grünen Parkverlauf, der einen Teil der neuen Aalborger Hafenfront ausmacht. Die landschaftliche Intention bestand darin, den Park zu betonen und eine intime Art von Campus mit einem blühenden Park zu schaffen. Drei hohe Punkthäuser mit 70 Studentenwohnungen – ebenfalls von Kim Utzon entworfen – werden im Laufe des Jahres entstehen und zu einem Teil der Gesamtheit werden.
Das Center selbst besteht aus einfachen Volumina, die sich um den Innenhof gruppieren. Das Auditoriumsgebäude hat die markanteste Platzierung zum Wasser hin und präsentiert sich als Kopf der Anlage. Die Spitzgatterhalle richtet sich dementsprechend zur Hafenpromenade, und wenn die Hafenfront fertig ist, wird der Haupteingang zwischen diesen beiden Gebäudekörpern liegen. Die asymmetrische Bootshalle gibt den Rahmen für einen von Aage Utzons Spitzgattern ab. Das Licht fällt durch hohe Glasspalten und von Westen durch das gewölbte Dach ein. Dank der Asymmetrie ist an der einen Seite Platz für die Werkstatt, an der anderen Seite für eine Ausstellungsfläche mit Tafeln.
Das Ausstellungsgebäude und die Werkstatthalle haben einfache pyramidenförmige Lichteinlässe, durch die das Licht von Osten her einfällt. Das Ausstellungsgebäude ist unterteilt in einen Teil für Dauer- und einen für Sonderaustellungen, die in ihrer Ausdehnung variieren können. Die Werkstatthalle liegt in unmittelbarer Verlängerung der Spitzgatterhalle. In beiden Bereichen ist Blockparkett aus sibirischer Lärche verlegt.
Kontemplatives Auditorium
Im ersten Stock liegt das Auditorium, das als ein kontemplativer oder meditativer Raum mit Blick übers Wasser gedacht ist. Durch ein Oberlichtfenster fängt die gewölbte Decke das warme Südlicht ein und das lässt den Raum „atmen“, wenn die Wolken vorbeiziehen. Die Fassaden zum Wasser hin sind mit Aussichtserkern versehen, von denen aus ein 180-Grad-Blick entlang des Kais besteht. Charakteristisch für die Erker sind Säulen, wo die Glaspartie außen angebracht ist, so dass man das Gefühl hat, sich im Freien zu befinden. Das Bibliotheks- und Verwaltungsgebäude bilden den Abschluss der Anlage und orientieren sich zum Park und zur Stadt hin.
„Diese anonymen und skulpturellen Gebäudeklumpen sind um einen Innenhof herum angeordnet, der mit einem einzelnen Baum bepflanzt ist. Hier herrscht Ruhe und man kann den Erfahrungen eines klugen Mannes lauschen – die ursprüngliche Form von Unterricht,“ wie Kim Utzon es formuliert. Ein Glasgang umkränzt den Hof, über den man sich frei zwischen all den verschiedenen Funktionen des Hauses bewegen kann.
Hervorragende Akustik
Für einen wesentlichen Teil der 2.800 m2 großen Fläche des Centers wurde als Deckenverkleidung Troldtekt-Akustikplatten gewählt, und zwar Troldtekt hell, geradkantig – zugeschnitten auf übliches Utzon-Maß, d. h. die Standardbreite der Holzwolle-Leichtbauplatten wurde auf 40 cm reduziert. Insgesamt wurden ca. 900 m2 Troldtekt-Akustikplatten von der Firma SAKI Interfinish montiert.
Architektin MAA Lise Juel Grønbjerg sagt über die akustischen Erwägungen: „Ursprünglich war daran gedacht, als Deckenverkleidung für die gesamte Gebäudeanlage nur ein Material zu verwenden, nämlich Kerto-Leisten 50 x 50 mm mit rückseitiger akustischer Dämmung. Nach einer Sparrunde einigten Jørn, Kim und ich uns auf eine sehr schöne Alternative: Gang, Café und Büros sollten durch die Verwendung von Troldtekt-Platten von den drei besonderen Räumen – Spitzgatterhalle, Auditorium und Bibliothek – abgehoben werden. Da wir bei früheren Projekten schon oft Troldtekt-Platten verwendet haben, kennen wir die Vorzüge des Produktes bestens und ich persönlich finde, dass die rohe Erscheinung des Gebäudes durch die ganz fein strukturierten naturfarbenen Troldtekt-Platten schön betont wird.“
„Bei der Projektierung war es ein ganz entscheidender Parameter, dass Troldtekt in der Lage sein musste, die Platten in einer Größe zu liefern, die im Modul des Gebäudes aufging und zudem im Gang um den Hof von Wand zu Wand reichte. Jørn Utzon war außerdem sehr daran gelegen, die Deckenverkleidung mit einer kräftigen Leiste an jeder Stoßfuge abzuschließen. Diese Entscheidung war vollständig entscheidend für den Charakter des Raumes, da wir so das Modul des Hauses und damit Rhythmus und Natur betonen konnten. Holzwolle-Leichtbauplatten haben ja an sich schon einen schalldämpfenden Effekt, daher wurde nur im Café-Bereich noch zusätzlich akustisch reguliert (50 mm Rockwool).“
Ein abwechselndes Erlebnis
„So erlebt man die Akustik in den verschiedenen Räumen des Hauses als abwechselnd, aber natürlich der Funktion des jeweiligen Raumes angepasst. Beispielsweise hat der Gang eine etwas härtere Akustik, was aber sehr schön ist, weil es das Gefühl von Leben im Kreislauf des Hauses betont. Betritt man dann einen der drei großen und markanten Räume, steigert die kräftigere akustische Regulierung hier das Gefühl von Ruhe und Konzentration. In der Spitzgatterhalle, im Auditorium und in der Bibliothek haben wir mit Rücksicht auf die dahinter angebrachte akustische Isolierung statt Kerto weißpigmentierte Bretter mit einem Abstand von 25 mm verwendet.“
„Am Tag vor der Eröffnung hatte ich das Vergnügen, im Auditorium, das intim und sehr erhaben zugleich wirkte, eine Vorlesung zu halten. Man konnte ohne Probleme im Raum sprechen, mit und ohne Mikrofon. In der Spitzgatterhalle, die ja vor allem als Werkstatt gedacht ist und einen Betonboden hat, aßen wir am Eröffnungstag zu Mittag. Die gute Akustik fand auch bei allen übrigen Gästen Beachtung, man konnte hören, was gesprochen wurde. Im Übrigen ist für alle Räume des Hauses ein markanter architektonischer Ausdruck charakteristisch. Die Akustik und der wunderbare Lichteinfall ermöglichen eine äußerst multifunktionale Anwendung der einzelnen Räumlichkeiten“, sagt Lise Juel Grønbjerg, die mit Recht stolz auf das Resultat sein kann. Architektur auf diesem Niveau hat es in Aalborg nicht mehr gegeben, seit Aalto und Baruël gemeinsam vor bald 40 Jahren das Nordjyllands Kunstmuseum entwarfen.